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Am Sprung in ein neues Leben
pro:log (the journal of the Vienna Staatsoper) February 2003

Giuseppe Sabbatini singt den Fernand in der Neuproduktion von Donizettis "La Favorite"

Giuseppe Sabbatini ist der große Stilist unter den Startenören der Gegenwart. 1957 in Rom geboren studierte er an der Accademia di Santa Cecilia Kontrabaß und Gesang und debütierte 1987 als Edgardo in Lucia di Lammermoor in Spoleto. Rasch eroberte er sich alle bedeutenden Bühnen der Welt, wobei der Schwerpunkt seines Repertoires einerseits die italienische Belcanto-Oper, andererseits das französische Fach ist. An der Wiener Staatsoper debütierte er 1989 als Sänger im Rosenkavalier, seither war er in weiteren 13 Partien, darunter als Lenski, Hoffmann, des Grieux, Arnold, Alfred und als Herzog zu hören. Mit Giuseppe Sabbatini sprach Peter Blaha.

In einem Interview kündigen Sie für das Jahr 2007 Ihren Rückzug als Sänger an, um danach eine Karriere als Dirigent zu beginnen. Wie ernst ist dieser Entschluß?

Sehr ernst. Ich kann nicht, wie manche meiner Kollegen, als Sänger und als Dirigent auftreten. Meine Stimme verlangt sehr viel Aufmerksamkeit. Wenn ich mich neben dem Singen auch noch auf etwas anderes konzentriere, kann ich meine Technik nicht in Schwung halten und auch keine neuen Partien einstudieren. Im Grunde bin ich ein Epikureer. Ich koste jeden Moment voll aus und lasse mich ganz auf das ein, was ich gerade mache. 16 Jahre lang stehe ich nun schon als Sänger auf der Bühne und gebe alles, wozu ich fähig bin. Ab meinem 50. Geburtstag möchte ich etwas anderes machen.

Aber werden die Theater und das Publikum Sie ziehen lassen?

Viele Menschen bitten mich, meinen Entschluß noch einmal zu überdenken. Doch ist es besser, am Höhepunkt abzutreten, als jenen Moment abzuwarten, an dem die Stimme mir sagt, es sei Zeit, aufzuhören. Da behält mich das Publikum eher in guter Erinnerung. Auch darf man eines nicht vergessen: Ich wurde Sänger, weil ich immer schon Dirigent werden wollte. Sieben Jahre lang habe ich als Kontrabassist im Orchester gespielt und daneben Gesang studiert. Ich wollte dirigieren, mußte mir aber genau überlegen, wie ich dieses Ziel erreichen könnte. Ich verfüge weder über politische Verbindungen, noch über finanzielle Mittel, die mir den Weg hätten ebnen können. Also dachte ich, daß mir eine gewisse Popularität von Nutzen sein könnte. Wenn mich die Intendanten als guten Musiker schätzen lernen, würden sie mir vielleicht eine Chance geben. Aus diesem Grund entschloß ich mich, einen Teil meiner Karriere als Sänger zu absolvieren, um dann, würde ich damit erfolgreich sein, den zweiten Teil als Dirigent fortzusetzen. So seltsam das auch klingen mag, aber der Umweg über eine zwanzigjährige Sängerlaufbahn schien mir der kürzeste Weg ans Dirigentenpult.

Einen solchen Umweg nahm Sergei Kussewitzky aber nicht. Er war auch zunächst Kontrabassist und wurde später der legendäre Chefdirigent des Boston Symphonie Orchestra.

Das stimmt, auch Zubin Mehta hat es auf Anhieb geschafft. Nur waren die Verhältnisse zur Zeit Kussewitzkys anders. Auch darf man nicht vergessen, daß er eine reiche Frau geheiratet hat. Damit kann ich nicht aufwarten (lacht).

Werden Sie als Dirigent der Symphonik oder der Oper den Vorzug geben?

Der symphonischen Musik, weil ich nicht unbedingt mit meinen Sängerkollegen zusammenarbeiten möchte (lacht). Spaß beiseite: Schon jetzt sagen mir viele Sänger, daß sie mich sehr schätzen und mich als Dirigent respektieren würden, was für mich eine große Ehre ist. Aber ich möchte zu meinen Wurzeln zurückkehren und die liegen eher im symphonischen Bereich. Ich verfüge über reiche musikalische Erfahrungen: Ich habe im Knabenchor gesungen, E-Gitare gespielt und war Instrumentalist. Das ist ein beachtlicher Background fürs Dirigieren.

Ihre Vergangenheit als Instrumentalist merkt man auch daran, daß Sie Ihre Stimme sehr instrumental zu führen verstehen.

Vor allem am Anfang meiner Karriere haben Kritiker mir dies immer wieder attestiert. Es freut mich, daß man das auch nach 16 Jahren noch bemerkt.

Wahrscheinlich ist Ihre reiche musikalische Erfahrung auch der Grund für Ihr ausgeprägtes Stilempfinden. Der heute weit verbreiteten Unart, alles in einer pseudoveristischen Manier zu singen, verfallen Sie nicht.

Es stimmt, viele Sänger neigen heute dazu, alles in derselben Manier zu singen, wobei es einzig auf Kraft und Volumen ankommt. Viele meiner Kollegen haben Stimmen, die viel schöner sind als meine. Aber sie bringen Herz und Kopf beim Singen nicht zusammen. Wer nur mit Kraft singt, wird sich möglicherweise zu früh verausgaben. Wer nur mit dem Kopf singt, geht zu wenig in die Tiefe. Eine gute Technik ist unbedingt erforderlich, aber sie muß stets im Dienst der Interpretation stehen. Bei 95 Prozent der Sänger resultiert die Art ihrer Interpretation aus ihren technischen Grenzen. Das merkt man leider sehr genau. Weitere drei Prozent verfügen über eine perfekte Technik, aber nur bei den verbleibenden zwei Prozent kommt zur perfekten Technik auch das Herz hinzu. Zu diesen zwei Prozent zählten Sänger, die nicht unbedingt über die schönsten Stimmen verfügten. Man denke nur an Callas, Gedda, Kraus, Pertile, Schipa oder Tauber. Aber sie alle haben gottvoll gesungen. Ich versuche stets das zu respektieren, was ein Komponist geschrieben hat. Ein Piano, Crescendo oder Diminuendo muß man ernst nehmen, schließlich hat sich der Komponist ja etwas gedacht, als er es hinschrieb. Manchmal ist ein Portamento zulässig, manchmal nicht. Das hängt vom Stil ab. In der französischen Musik ist manches möglich, was in der italienischen Musik nicht geht und umgekehrt. Bei Donizetti vermischen sich mitunter diese beiden Stile, etwa in La Favorite.

Singen Sie La Favorite zum ersten Mal in der französischen Fassung?

Ja, bisher habe ích nur die italienische Version gesungen. Und es fällt mir mitunter auch noch schwer, mich an die französische Fasung zu gewöhnen. Manche Phrasen sind sich sehr ähnlich. Da muß ich höllisch aufpassen, nicht in die italienische Fassung zu fallen.

Läßt sich in wenigen Worten beschreiben, was das Besondere an Donizettis Musik ist?

Für mich ist Donizetti das Bindeglied zwischen dem echten Belcanto und Verdi. Das bedeutet, daß man ihn mit etwas mehr Leidenschaft singen muß als Rossini oder die frühen Opern Bellinis, aber nicht so vollblütig singen sollte wie Verdi. Ich vertrete eine sehr provokante These, nämlich daß der Verismo die hohe Kunst des Operngesanges zerstört hat. Durch den Versimo wurde es den Sängern möglich, sich durch eine ganze Oper hindurchzuschreien. Nehmen wir Il trovatore als Beispiel: Das ist keine veristische Oper, aber ich kann mit meinen stimmlichen Möglichkeiten heute den Manrico nicht singen, obwohl Verdi ihn für denselben Typ von Tenor geschrieben hat wie Rigoletto und La traviata, die beide zu meinem Repertoire gehören. Ich habe mich sehr mit der Geschichte der Oper beschäftigt. Viele Partien wurden für ganz bestimmte Sänger geschrieben. Wenn man mir eine neue Partie anbietet, schaue ich mir zuerst an, wer sie bei der Uraufführung sang. War das Duprez oder Nourrit, ist sie für mich ideal. War es Rubini, muß ich vorsichtig sein, weil er eine besonders hohe Stimme hatte, so daß die Rezitative meistens von F aufwärts liegen. La Favorite wurde für Duprez geschrieben, der erstmals ein hohes C mit Bruststimme gesungen hat. Oft steht über so einem hohen C jedoch ein Piano. In Wien wird, wenn man dieses C tatsächlich piano singt, das Publikum dies zu schätzen wissen, in Italien oder Spanien leider nicht. Ich bin ein ehrlicher Künstler und versuche die Partitur zu respektieren.

Wie wichtig ist die Wiener Staatsoper für sie?

Das für mich beste Publikum finde ich in Japan und Wien. Weniger glücklich bin ich in Italien. Dort wird ein italienischer Sänger immer nur Gast im eigenen Land sein. Warum das so ist, weiß ich nicht. In Frankreich, England, Deutschland und Amerika hingegen gelten die heimischen Sänger als Stars. In Wien fühle ich mich sehr wohl. Die Wiener Staatsoper war das erste Haus, das an mich geglaubt hat. So etwas vergißt man nicht.


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This page was last updated on: February 16, 2003