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Concert Tour, Germany, October 2006
Juan Diego Flórez in concert at the Festspielhaus Baden-Baden


Floréz stürmte jede Höhe, Mittelbadische Presse, 11 October 2006
Wille und Verve, Der Tagesspiegel, 9 October 2006

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Floréz stürmte jede Höhe
Peter Schwab, Mittelbadische Presse, 11 October 2006

Der peruanische Belcanto-Tenor erfüllte die Erwartungen an seine gesanglichen Leistungen

Wann hat es zuletzt so viel Beifall im Baden-Badener Festspielhaus gegeben? Ganz verliebt waren die Zuhörer in die Stimme des Startenors Juan Diego Flórez am Montag. Und der versierte Bühnenkünstler wusste bestens mit der Zustimmung umzugehen.
Bravo-Rufe erntete er schon nach den letzten Klängen jeder Arie. Nach den Salven der hohen Bs, Hs und Cs brach ganz nach italienischer Manier schon in die Schlussakkorde der Applaus ein. Nach den Zugaben, zuletzt ein knackiges »Granada«, standen die Menschen auf. Und vor lauter Ovationen verpassten es die sonst so Eiligen, sich in Richtung Parkhaus zu drängeln. Das Festspielhaus-Publikum lag mit dem Tenor Juan Diego Flórez goldrichtig.

Lohnt sich da überhaupt die Frage nach dem allzu eingeschränkten Repertoire? Belcanto mit ein paar Einsprengseln von Mozart bot der aus Peru stammende Star der hohen Stimme. Rossini und Donizetti geben seinem strahlenden Organ die Heimat. So wie einst bei der Callas die Schärfe des Tones für Unverwechselbarkeit sorgte, ist es bei Flórez ein heller Klang, der in die Höhe drängt. Geschmeidig schmiegt sich der Tenor an die Ecken des Notentextes, federt leicht durch die Koloraturen, nimmt jeden Bogen, stürmt jede Höhe.

Dieses Singen ließ sich auch sehen. Standbein, Spielbein, tänzelnd neben dem Dirigentenpult präsentierte sich der auch im Ausdruck natürlich wirkende Flórez in bester Verfassung. Die große Geste, wie sie die alten Herren Domingo oder Pavarotti pflegten, beherrscht Flórez nicht minder perfekt. Die Arie des Lindoro aus Rossinis Oper »Die Italienerin in Algier« endet mit dem Wort Felcitá (Glück), und Flórez schmettert es mit einem Lächeln, das die Zuhörer mit Bravo-Rufen quittieren.

So stand der Unterhaltungswert im Vordergrund. Der aberwitzige Schwierigkeitsgrad, mit dem Flórez überzeugte, grenzte ans Circensische. Wie beim Salto mortale stockte bei der Zugabe aus der »Regimentstochter«, der Arie mit den hohen Cs in Reihe, der Atem. Als ob es nichts wäre, schoss Flórez die Höhen ab. So sicher wie ein Uhrwerk kamen die Läufe. Dabei verpasste es der Künstler nicht, den Schmelz eines jugendlichen Liebhabers auf der Opernbühne zu verströmen. Als Narciso (Il Turco in Italia/Rossini) umschmeichelte Flórez sein Publikum.

Fehler kann sich so ein singender Hochleistungssportler nicht erlauben. Die ans Brutale grenzende Schwierigkeit seines Baden-Badener Programms ist der Messlatte geschuldet, die er in seinen Einspielungen gelegt hat. Und genau diese Arien sang er und lieferte dabei die Perfektion der Ton-Konserve.

Parade-Arie

Sicher trug das SWR-Rundfunkorchester Kaiserslautern dazu bei, das mit gediegen gespielten Belcanto-Ouvertüren und etwas Mozart für Atempausen sorgte. Das in der Tradition von Emmerich Smola stehende Orchester ging unter Christopher Franklin sensibel auf selbst kleinste Temposchwankungen des Solisten ein, etwa bei der Parade-Arie des Conte aus Rossinis »Barbier von Sevilla«. Sicher schon tausendmal gesungen, sicher der ständigen Gefahr der Routine ausgesetzt, gelang es Flórez trotzdem, das Stück voll mit musikalischem Zierrat zu interpretieren. Genau das schaffte er aber beim vermeintlich einfachsten Werk, Glucks Klage-Arie des Orpheus, weniger.

Ohne Schnickschnack präsentiert der Modernisierer unter den Opernkomponisten seine Melodie als Plattform für die Gefühle der Opernprotagonisten. Den schlichten Ton trifft Flórez auf seinen Einspielungen ebenso wenig, wie er ihn in Baden-Baden erreicht hatte. Die schöne Melodie mag ihn verführt haben, die Arie zu wählen. Und das ist eben die Gefälligkeitsfalle, der Flórez sonst dank seines stupendes Könnens bei den Bravourstücken Rossinis, Donizettis oder Bellinis so herrlich sicher entgeht.
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Wille und Verve
Christine Lemke-Matwey, Der Tagesspiegel, 9 October 2006

Im Foyer der Deutschen Oper liegt neuerdings eine Art Gästebuch aus. Ein dicker Foliant, in dem der Besucher als solcher sich gerne verewigt. Kleine und größere Gemeinheiten finden hier Platz, Stimmen zur Idomeneo"-Debatte, natürlich, und viele Dankesworte, sogar, was lustig aussieht, in kyrillischen und japanischen Schriftzeichen. Gemessen am Jubel im Saal nach Juan Diego Florez' Liederabend, werden nun die Hymnen wohl die Oberhand gewinnen. Ein sehr schlankes halbes Stündchen mit Mozart und Rossini vor der Pause, ein ebenso schlankes danach (Fauré, Massenet, Bizet, Donizetti und Rosa Mercedes Ayara de Morales) sowie regelrecht üppige 35 Minuten für die Zugaben  und die Gesichter, Augen, Herzen im nahezu ausverkauften Haus leuchteten.

Neben Rolando Villazon, Joseph Calleja und vielleicht noch José Cura gilt der Peruaner als eines der internationalen Superstarlets unter den lyrischen Tenören. Nach ein paar Nervositäten zu Beginn (erst bei Ottavios Il mio tesoro" aus Don Giovanni" wollte sich bei ihm ein etwas biegsamerer, persönlicherer Mozart-Ton einstellen), begann man zu ahnen warum: Florez ist nicht nur ein echter tenore di grazia, mit einer kleinen, feinen, gut tragenden, jugendfrisch timbrierten Stimme  er hat durchaus auch das gewisse Etwas. Selbst wenn dieses im Riesenrund in der Bismarckstraße, vor Stellwänden mit Malersaalmalereien, nicht ganz zur Geltung kam, vieles zu steif blieb und einfach zu brav, zu beflissen: Die Latino-Melancholie, in die er Rossinis L'esul" tauchte, die butterweichen Phrasenenden bei Faurés Après un rêve", die blitzsaubere Atemtechnik, das gut fokussierte Crescendieren in Massenets Ouvre tes yeux bleus"  das flößt Respekt ein. Und Florez hat eben auch das sprichwörtliche hohe c", bei Rossini wie im Zugabentaumel zwischen La donna è mobile" und Granada". Keine mühelosen Höhen, nein, im Fortissimo bisweilen sogar bedrohlich eng, aber immer mit Wille und Verve in Angriff genommen und von Vincenzo Scalera am Klavier hochroutiniert unterstützt.
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This page was last updated on: October 13, 2006